Die Woche hat mich ein ganz besonderer Hexengarten-Beitrag erreicht und das ganz ohne „Sommer im Hexengarten“. Denn sommerlich fühlt es sich bisher wirklich nicht an. Heute Mittag hat die Sonne zwar schön gelacht, aber meinen Platz auf dem Terrassenstuhl unter dem Fliederbusch habe ich schnell wieder gegen den auf dem Sofa getauscht. es war einfach zu kühl. Nicht einmal die Bienchen und Schmetterlinge mögen fliegen, nur die unermüdlichen Hummeln gehen ihrer Arbeit an den Blütenbäumen nach. Die Kräuter stehen auch noch alle schön geschützt an der Hauswand. Ein bisschen müssen wir wohl noch auf den Sommer warten. Umso schöner, dass Iris und Bernd uns auch ohne Sommer schon an dem Geschehen in ihrem Hexengarten teilhaben lassen – mit spannenden Beobachtungen und tiefgründigen Gedanken. Aber lest selbst.
Beute machen – Gedanken nach einem Jagderlebnis im Garten
Ein lauer Frühlingsabend. Wir sitzen im Garten beim Apéro und schauen zum Fichtenwipfel auf dem Nachbargrundstück hinauf. In diesem Baum hat vor kurzem ein Turmfalken-Paar ein verlassenes Krähennest übernommen. Die untergehende Sonne strahlt einen der beiden Greifvögel an, der sich auf dem höchsten Zweig wiegt. Immer wieder späht er in unseren Garten. Plötzlich stößt er in einem rasanten Bogenflug hinter unser Lavendelbeet auf den Boden und schwingt sich mit seiner Beute zurück in die Luft, keine drei Meter von unserem Tisch entfernt. Fürwahr kein alltägliches Gartenerlebnis.

Das Foto zeigt die beiden Turmfalken auf einer Douglasie neben ihrem „Nestbaum“. Dort oben war ihr bevorzugter Paarungsplatz.
Der Falke war so schnell, dass wir seine Beute nicht identifizieren konnten. Etwas Braun-Rötliches schimmerte in den Fängen, und wir dachten sofort: Er hat „unser“ Rotkehlchen erwischt! An der bewussten Stelle hängt ein Futterspender im Gehölz, unter dem auch das Rotkehlchen gern aufpickt, was Meisen und Spatzen an Körnern fallenlassen. Auch wenn wir die Beute nicht eindeutig erkannt hatten und uns daran erinnerten, dass Turmfalken sich nahezu ausschließlich von Mäusen ernähren (die in den Gärten unseres Wohngebietes alles andere als selten sind): Wir empfanden Traurigkeit.
Später fragten wir uns jedoch: Warum eigentlich? Ein Garten mag floral gesehen keine Natur sein. Aber die Fauna, die sich darin tummelt, bleibt den Naturgesetzen unterworfen. Falken müssen nun mal Beute schlagen. Vermutlich hätte es uns nicht so viel ausgemacht, wenn wir genau gesehen hätten, dass es sich bei dem Opfer um eine Maus gehandelt hätte. Aber warum rangiert der kleine Nager in unserer Mitleidsskala so deutlich unter dem Kleinvogel? Weil er sich mal am vergessenen Apfel auf dem Gartentisch bedient und dabei seine Köddelchen hinterlässt?
Solche „Falken-Situationen“ wecken in uns wohl an den Instinkt, die Schwachen (oder „Zarten“, „Süßen“, etc.) vor den Starken (oder „Bösen“, „Gemeinen“ etc.) zu beschützen. Aber springen wir den Würmern zur Seite, wenn unsere gefiederten Freunde sie im Schnabel haben?
Man muss ja nicht immer alles mit dem Verstand beantworten. Wir sind auf jeden Fall dankbar, dass in unserer unmittelbaren Stadtumgebung natürliches Leben stattfinden kann, dass Amsel, Meisen & Co. reichlich „würmeln“ können (und Körner- und Knödelfutter nur als „Beifang“ nutzen) und dass jetzt junge Turmfalken irgendwann zu ihrem ersten Flug starten – wenn nicht vorher ein Nesträuber tut, was die Natur ihn heißt…
Mit einem herzlichen Gruß in die Runde,
Iris + Bernd
Vielen lieben Dank, ihr beiden, dass ihr dieses Erlebnis und eure Gedanken dazu mit uns teilt! Ich habe mich in eurer Reaktion auch gleich wiedererkannt. Wenn die Nachbarskatze mit einem Mäuschen ankommt, bekommt sie noch ein Lob von mir. Das sähe sicher anders aus, wenn sie stattdessen ein Vögelchen erbeutet hätte. Und es ist eine zutiefst philosophische Frage. Wenn es eine von den zahlreichen und teils recht aufdringlichen Meisen erwischen würde, warum fiele mein Bedauern dann kleiner aus als bei den seltenen, scheuen Bluthänflingen? Woran bemisst sich unser Mitgefühl für eine Lebewesen und auch der Wert, den wir einem Leben zuschreiben? In der Natur geht es darum eben gerade nicht, wie ihr so schön schreibt. Und auch wenn ein Garten keine freie Wildbahn ist, Natur ist er auch. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt, wie eure Falkengeschichte weitergeht 🙂